Montag, 5. Dezember 2011

once upon a teatime

Er saß ihr gegenüber, an ihrem heiß geliebten Holztisch, der schon so viele Kratzer und andere, tiefere Kerben hatte.
Sie hatte ihn auf einem dieser unzähligen Flohmärkte gekauft, die sie gemeinsam besucht hatten.
Einen dieser unzähligen Flohmärkte, an denen sie ihn um 4 Uhr morgens aus dem Bett schleifen musste.
"Ich weiß, dass dir kalt ist, ich sehs dir an!", er drückte sie enger an sich und sie genoss seine Wärme. Dann deutete er auf ebenjenen Tisch und ihre Augen leuchteten.
Sie umklammerte ihre Teetasse, ein Fundstück aus den tiefen Abgründen des Dachbodens ihrer Großmutter, den sie zusammen an einem verregneten Tag durchwühlt hatten um sich die Zeit zu vertreiben.
Staub wirbelte damals auf, brachte sie beide zum husten und gleichzeitig zum lachen, wenn sie sich durch die Staubwolken ansahen.
Wenn sie an ihm vorbei sah, entdeckte sie die alten schwarz-weiß Radierungen ihres Urgroßvaters auf tannengrüner Wand, die ihr ihre Mutter zu ihrem Auszug geschenkt hatte, sie zeigten Jagdszenen aus dem 19. Jahrhundert.
"Weiter nach links! - Nein doch wieder ein bisschen nach rechts! - Und jetzt noch etwas nach oben!"
Er seufzte, lies den Rahmen sinken und schmunzelte.
"Du kleine Perfektionistin!"
Im Augenwinkel sah sie, wie er versuchte einen Satz zu formen, dann aber verzweifelt inne hielt und aufgab.
Sie sah an sich hinunter, nur um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen.
Und sah, dass sie heute den grauen Spitzenrock trug, den sie damals in Berlin in einem kleinen, versteckten Second-Hand-Laden in einer Seitenstraße erstand als sie beide vor einem Schneesturm flüchteten.
Er zog sie an ihrer Hand in den Schutz einer Gasse.
"Wir hätten wohl doch lieber im Sommer fahren sollen?", sagte er.
"Aber nicht doch, Winter ist perfekt!", der Berlinausflug war eine seiner spontanen Ideeen, für die sie ihn so liebte.
"Komm wir verschwinden hier für eine Weile...", dabei hielt er für sie eine gläserne Tür mit goldenen Rahmen auf. Und mit einer kleinen Schneeböhe betraten sie das kleine Geschäft.

All diese Dinge, die für sie Geschichten erzählten.
Es musste wohl Schicksal sein, dass gerade an diesem Tag das Leben eine weitere Geschichte schreiben würde. Oder sollte sie sagen, zu Ende bringen würde?
Sie öffnete ihre Lippen, wollte sie ihm doch noch so viel erzählen.
Doch sie schloss sie wieder, wusste sie doch was jetzt kommen würde.
Sie sah nicht auf, als er das letzte mal ansetzte.

"Es wird wohl besser sein, wenn ich jetzt gehe..."

Sie blinzelte, suchte nach den passenden Worten. Sie suchte und suchte und suchte, doch sie fand sie nicht, die Worte, die sie stark erscheinen ließen.
Die Wohnungstür fiel ins Schloss.